In der Industriesachversicherung ist die Wahl des richtigen Standards für sicherheitstechnische Anlagen wie Sprinklersysteme von entscheidender Bedeutung. Unterschiedliche Standards haben weitreichende Auswirkungen auf die Sicherheit und Versicherbarkeit von Industrieanlagen. Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie unterschiedliche Standards zu Herausforderungen führen können.
Der Vorfall: Eine Geschichte aus der Praxis
Kürzlich hatte ich einen Termin mit einem Versicherungsrisikoingenieur, der eine nach EN 12845 installierte Sprinkleranlage bei einem unserer Kunden bewerten sollte. Obwohl der Versicherer ein europäisches Unternehmen ist, akzeptierte er nur den amerikanischen NFPA-Standard, was zu unnötigen Anpassungsvorschlägen führte. Dies wirft die Frage auf: Warum wird der NFPA-Standard als Maßstab angesehen, obwohl der europäische EN-Standard in vielen Fällen ähnlich hohe Anforderungen stellt und besser auf die Gesamtanforderungen von Industrieanlagen in Europa abgestimmt ist?
Vergleich: EN 12845 vs. NFPA-Standards bei ESFR-Sprinklern
Die EN 12845 und der NFPA 13-Standard weisen in Bezug auf ESFR-Sprinklertechnologie viele Gemeinsamkeiten auf, insbesondere hinsichtlich der technischen Anforderungen und der Ziele der Brandunterdrückung. Doch während die technischen Details ähnlich sind, gibt es fundamentale Unterschiede in den Bauvorschriften und der Gebäudekonstruktion in Europa und den USA, die erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an Sprinklersysteme haben.
Europäische Bauweise: Stabile und Brandsichere Konstruktion
Europa (EN 12845):
- Massive und sichere Bauweise: In Europa legen die Bauvorschriften großen Wert auf stabile, feuerfeste Konstruktionen, die als integraler Bestandteil der Gebäudesicherheit gelten. Durch den Einsatz nicht brennbarer oder schwer entflammbarer Materialien wie Beton, Stahl und feuerfeste Dämmstoffe wird das Brandrisiko bereits durch die Bauweise erheblich reduziert. Diese Gebäude sind so konstruiert, dass sie Brände besser standhalten und die Ausbreitung von Feuer wirksam verhindern.
- Ganzheitlicher Brandschutz: Europäische Vorschriften, wie die Eurocodes (EN 1991, EN 1992), erfordern eine umfassende Integration von Brandschutzmaßnahmen in die Gebäudestruktur. Sprinkleranlagen nach EN 12845 sind Teil eines größeren Brandschutzkonzepts, das auch passive Maßnahmen wie Feuerwände, Rauchabzüge und sorgfältig geplante Fluchtwege umfasst.
- Effiziente Wassernutzung: Aufgrund der bereits hohen strukturellen Sicherheit erfordert die EN 12845 in der Regel keine übermäßig großen Wassermengen für Sprinklersysteme, was eine kosteneffiziente und ressourcenschonende Lösung ermöglicht.
Amerikanische Bauweise: Risiko durch leichtere Konstruktion
USA (NFPA 13):
- Leichte Bauweise, höheres Risiko: Im Gegensatz dazu tendieren amerikanische Bauvorschriften dazu, auf leichtere und kostengünstigere Materialien zu setzen. Diese „Kartenhaus“-Bauweise, die häufig auf Holzrahmen und weniger feuerresistente Materialien setzt, ist zwar flexibel und schnell zu errichten, erhöht jedoch das Brandrisiko erheblich. Diese Gebäude sind oft anfälliger für schnelle Feuerausbreitung, weshalb die NFPA-Standards hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Sprinklersystemen stellen.
- Höherer Wasserbedarf: Aufgrund des höheren Risikos durch die Bauweise verlangt der NFPA-Standard oft nach leistungsfähigeren Sprinklersystemen mit größerem Wasserbedarf. Die Systeme müssen in der Lage sein, potenziell große und schnell wachsende Brände zu bekämpfen, die durch die weniger robuste Gebäudekonstruktion entstehen können.
- Isolation der Brandschutzsysteme: Anders als in Europa, wo der Brandschutz integraler Bestandteil des gesamten Gebäudedesigns ist, wird in den USA die Sprinkleranlage oft isoliert betrachtet. Dies führt zu Systemen, die in ihrer Dimensionierung größer und kostenintensiver sind, ohne dass andere Brandschutzmaßnahmen das Risiko entsprechend mindern.
Fakten: Effizienz der EN 12845 bei ESFR-Sprinklern
Die EN 12845 bietet bei der Nutzung von ESFR-Sprinklern einige spezifische Vorteile, die sich aus der soliden europäischen Bauweise ableiten lassen:
- Optimale Wassernutzung: Da europäische Gebäude in der Regel stabiler und weniger brennbar konstruiert sind, erfordert die EN 12845 keinen unnötigen Wasserüberschuss. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung der Wasserversorgung, während die Sicherheit auf höchstem Niveau bleibt. Beispielsweise werden in Europa 65% aller Brände mit 1-2 Sprinklern gelöscht und 85% mit weniger als 6 Sprinklern – ein Beweis für die Effizienz der europäischen Standards in der Praxis.
- Ganzheitliche Integration: Die Sprinkleranlage nach EN 12845 wird als Teil eines umfassenden Brandschutzkonzepts betrachtet, das die strukturellen Vorteile europäischer Bauweise optimal ausnutzt. Dies reduziert das Brandrisiko und minimiert die Kosten, da die Gesamtarchitektur des Gebäudes berücksichtigt wird. In den USA hingegen werden 77% der Brände mit einem Sprinklersystem gelöscht, und 97% mit 5 oder weniger Sprinklern – dies verdeutlicht den höheren Wasserbedarf und die isolierte Betrachtung der Sprinkleranlagen in den amerikanischen Standards.
Kritik an der Praxis: Der Versicherer im Fokus
Es ist fragwürdig, dass europäische Versicherer, die in einem europäischen Markt tätig sind, die eigenen, lokal entwickelten Standards wie EN 12845 nicht vollständig anerkennen. Dies führt zu unnötigen Anpassungen und Kosten, ohne dass ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn erzielt wird. Europäische Bauweisen und Standards bieten bereits ein hohes Maß an Sicherheit, das nicht durch die Übernahme ausländischer, weniger passender Standards untergraben werden sollte.
Schlussfolgerung: Der richtige Standard für Europa
Obwohl die NFPA- und EN-Standards in vielen Aspekten, insbesondere bei der ESFR-Technologie, ähnlich sind, bietet die EN 12845 durch ihren ganzheitlichen Ansatz und die Berücksichtigung der stabilen, feuerfesten europäischen Bauweise klare Vorteile. Die robusten europäischen Gebäude erfordern keine überdimensionierten Sprinklersysteme mit hohem Wasserbedarf, wie sie in den USA oft notwendig sind. Europäische Versicherer sollten daher die lokalen Standards anerkennen und fördern, um ein effektives, kosteneffizientes und umfassendes Risikomanagement zu gewährleisten.
Die Stärke der europäischen Bauweise und der EN 12845-Standard bilden gemeinsam eine solide Basis für die Sicherheit von Industrieanlagen – ein „Kartenhaus“ aus leichten Materialien, wie es oft in den USA zu finden ist, benötigt hingegen andere Maßnahmen, um das gleiche Schutzniveau zu erreichen. Europäische Versicherer sollten daher auf die bewährten, integrativen Standards vertrauen, die auf die besonderen Anforderungen und Bauweisen des Kontinents zugeschnitten sind.